Donnerstag, 23. März 2017

Wie geht es der werten Großmutter?

Picture: © Silke Gericke 2017
... diese und andere Fragen liegen mir immer wieder auf den Lippen.

Wieso? Wann? Das fragt Ihr Euch jetzt.

Jeden Tag im ÖPNV. Auch hier gibt es inzwischen diese unbekannten Bekannten bzw. bekannten Unbekannten.

Zum Beispiel diese junge Studentin, ca. 1,70 m, brünett, mit Ihrer blonden kleineren Kommilitonin mit der unreinen Haut. Die Kleine ereilt doch jedes Mal in der Bahn das Schicksal, dass die junge Studentin das Familienleben haarklein erläutern muss ... bis hin zu den Sorgen ihrer Mutter über die demente Schwiegermutter. So trägt jeder sein Päckchen Sorgen mit sich. Vor ein paar Tagen saßen die beiden Mädels mir vis-à-vis. Heute landete ich genau dazwischen. Allerdings hatte die Blonde Ihren Freund im Schlepptau, so dass die Familiengeschichten stecken blieben und das Mädel mit der Sorge um die Oma und deren verstecktes Geld etwas säuerlich auf Ihrem Handy gechattet hat.
Eieieieiei.
Ich hätte mich mit Ihr unterhalten können und es drängte sich mir innerlich wirklich die Frage nach der Großmutter auf. Lebt sie wirklich noch in Ihrer Wohnung, auch an diesem Tag? Obwohl sie doch eindeutig ins Heim gehöre, wie der Vater wohl meiner Polsternachbarin regelmäßig abfällig betone.

Oder die Dame meinen Alters, frisch verliebt mit der unsäglichen Kollegin, die ständig krank ist. Die jetzt mit dem dunkelhaarigen Herren im blauen Anzug letztes Wochenende zusammenkam, der seine Finger nicht mehr von Ihr lassen kann und ihr Kollege aus der Abteilung "Konfliktmanagement" ist. Er rät ja dazu die Kollegin mal so richtig auflaufen zu lassen. Geht ja auch nicht! STÄNDIG KRANK! ... Das weiß jetzt die ganze Regionalbahn.

Oder die Grafikerin, die für Ihren Chef alles macht. Der hat ja niemanden. Aber sie kommt nicht mehr zu irgendwas. Also ihre Wohnung muss einer Rumpelkammer gleich kommen, Sport kann sie auch nicht mehr machen und der Freund liegt mit Gürtelrose im Krankenhaus. Und dann dieses Chaos mit den Zügen. Sie steige wohl immer in die falschen Züge.

Hey, Leute mir geht es echt gut. Ich bin die mit der Stadtbahn, die sich gerne über Politik unterhält und nicht versteht, wie man jeden morgen da drüben im Stau stehen kann. "Jeden Morgen!" Sie fährt ja so gerne nach Griechenland und hat für diesen Sommer schon alles organisiert.

Ach das Leben ist so vielseitig, so menschlich und so unterhaltsam zugleich. Voyeurismus - ohne ihn wäre das Leben nicht das Leben das man führt. Vergleichen wir uns doch immer mit anderen, ergötzen uns am Leben der anderen, messen uns ... nehmen Anteil oder sind abgeschreckt.

Reality-TV - hautnah.

So hautnah, dass man wirklich gerne bei dem zufällig belauschtem Telefonat in den Öffis noch nachhaken würde: "Mir ist da aber jetzt einiges noch nicht ganz klar. Wie war das jetzt? Ihr Mann ist nicht bereit, seinem Bekannten zu sagen, dass es mit dessen Freundin einfach nichts für's Leben ist?"
Gelt Bettina, das sind die Fragen, die wir uns nicht getrauen zu fragen ... wären wir doch viel zu aufdringlich. Aber ist es nicht auch etwas aufdringlich solche Telefonate vor anderer Ohren so laut und intensiv emotional zu führen. Richtig gehend enthemmt?

So viel für heute ... ich verspreche, ich bleibe am Ball. Würde mich das Schicksal der Großmutter der Studentin doch stark interessieren. Nächste Woche, gleicher Wochentag, gleiche Stunde - Primetime ÖPNV.

Grüße
Silke




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