Die Gerüche meiner Kindheit
Silke am 08.09.2010 um 21:44
Apfelpfannkuchen,
Flieder in der teerwarmen Straße, verregnete Pfingstrosenblüten auf
Waschbeton, Papas Aftershave, Mamas Waschmittel, Schwimmbadchlor mit
Ketchup und altem Pommesfett vermischt, Omas alter Eis-Keller, Zelt- und
Luftmatratzengummi, Badekappenmuff – angebrannte Milch und
Feuertoastbrot. Das sind alles ganz spezielle Duftnoten, die sich in
meiner Kindheit fest in die Nase eingebrannt haben. Man freut sich in
der Erwachsenenwelt immer wieder, wenn man diesen Gruppen von Düften
begegnet, sie einordnet, und automatisch die Konnotation wie ein
Popup-Fenster vor einem aufgeht. Bilder spiegeln sich wieder, ganze
Filme laufen in Sekundenschnelle vor dem inneren Augen ab. Ein kleiner
Tagtraum voller Wiedererkennungsfreude, ein „Stimmt genau – oh, wie
schön“ gepaart mit einem Seufzen voller Melancholie! Und man erwischt sich mitten in einer Alltagshandlung mit den Gedanken in einer vergangenen Zeit – abgeschlossen – ganz final, und doch so spürbar nah. Wie komme ich darauf, fragen Sie sich? Ganz einfach: Ich habe meinen Kindern das Haar gewaschen – und da war sie! Die Bilderflut: Dieser Duft nach dem wöchentlichen Flötenunterricht, das zartsüße Aroma von dreieckigen Papiertüten aus der Altstadt-Bäckerei – randvoll gefüllt mit talerförmigen Brausestückchen in allen Pastellfarbtönen. Der Geruch des Süßwarenladens in der Innenstadt des nächsten „Mittelzentrums“, wohin man alle heilige Zeiten mal mit den Eltern zum Einkaufen von Schuhen, Wäsche und dergleichen kam: Der Hussel in der unteren Max-Regerstraße. Ja, und auch der Schmerz beim Abschied von der großen Schwester ins Studium, der durch die kleinen Taler „runtergewürgt“ wurde. Das Einreiben des Shampoos in das Haar des mittleren Piratenkindes öffnete wie bei einem Feuerwerk zig dieser „Popups“und zauberte mir wohl unwillkürlich ein Lächeln auf die Lippen. Das blieb natürlich nicht unkommentiert: „Mama, warum freust du dich? Weil ich jetzt wieder sauber bin?“. Brause und Sauberkeit, das ist eine tolle Mischung. Mein Blick wanderte zur Flasche, die nichts von all meinen Gefühlen verriet – ein Tukan auf „lila“ Hintergrund kratzt sich mit dem ausladenden Schnabel sein Gefieder. Da steht nix – aber auch gar nix von Brause!!! Die armen Duftexperten, die Gummibärchen und Brausestangen suggerieren können und die eigentliche Haarwäsche damit versüßen! Aber, was für ein schlechtes Marketing! Würde meiner Generation signalisiert werden, welch eine emotionale Wolke aus dieser Flasche entgegenwirbelt, würde sie doch ausschließlich zu diesem Produkt greifen, um ihrer Brut das Haar zu reinigen! Wirklich schlechtes Marketing! Man sollte diesen Verpackungs- und Werbefachmännern mal ordentlich den Kopf damit waschen, vielleicht würde ihnen dabei ein Licht aufgehen oder auch das ein oder andere Fenster aufpoppen. Da lasse ich jedoch gerne die Finger davon. Statt dessen werde ich meinen Kindern möglichst regelmäßig die Haarpflege nahe legen, damit mein olfaktorischer Sinn ausreichend in den Genuss von Brause kommt. In diesem Sinne: „Riechen Sie 'was Gutes und träumen Sie 'was Schönes!“ Silke | ||
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