Das Gefühl des ins Krankenhaus-Eingewiesen-Werdens ist dem ein oder anderen bestimmt bekannt. Man wird eine Krankenakte z.B.: Magendurchbruch Zimmer Nr. Sowieso, Oberschenkelhalsbruch XY oder vielleicht Geburt 25 des Tages. Tja, und jedesmal gibt man an der Pforte oder in der Notaufnahme sein persönliches Selbstwertgefühl und seine Würde mit dem Kassenkärtchen ab. Von da an kennt der Arzt genaustens die Herztöne oder detailliert die Zusammensetzung der Darmflora des eigenen Ichs - besser als man selbst. Er weiß aber weder, wie man fühlt, was man gerne mag - noch sonst was. Lieber wird das Kurzgespräch, das man bei so unangenehmen Untersuchungen führen muss, über den Regionalfußball, das Wetter oder die Verkehrsverhältnisse gepflegt.
So ein ähnliches Gefühl beschleicht mich hier - in den neuen vier Wänden. Komisch: wir sind auch eine Nummer - Nummer 5 (nicht gerade meine Glückszahl, vor allem wenn man an Schulzeiten denkt). Für den Elektriker, übrigens einer der wenigen vertrauenserweckenden Handwerker hier vor Ort, waren wir die mit den fehlenden Steckdosen, nebenan ist eher der Fall Telekommunikationselektrik und und und. 10 Häuser - zehn verschiedene Probleme. Nun sind es nicht nur die Steckdosen in diesem Haus. Eine Fensterleibung hier, eine Spachtelung da, ein Lüftungsrohr unten, eine Solaranlage oben ... Für die Gewerksvertreter sind wir nur Fälle. Sie gehen hier ein und aus - ziehen inzwischen immerhin schon ihre matschverschmierten Latschen aus - ehe sie quer durch die Wohnebenen wandern und unsere Sollbruchstellen mit jedmöglichen oder -unmöglichen Kleistern, Bauschäumen, Silikonfugen etc. verschönern - oder eben verhunzen: Hier eine Kofferung - da noch ein Brett. Die Visite wird in diesem Fall nicht durch den völlig übermüdeten Arzt durchgefühlt, sondern mit einer angestrengten und überarbeiteten Architektin zelebriert, die ständig moderieren muss, Schandensbegrenzungsspezialistin sein muss und eigentlich keinen Nerv mehr hat.. Es wird zwar versucht, die Würde aufrechtzuerhalten - aber so recht gelingt das nicht. Mit den Handwerkern spricht man auch über das Wetter, die Verkehrsverhältnisse - wenn's Not tut auch über Fußball. Außer mit den Ausnahmen.
Mal sehen, wie sich dies weiter entwickelt - ob die Nachbarn je Telefon bekommen, die anderen einen wohnlichen Bodenbelag und noch andere vielleicht auch mal die Küche! Estrich wirkt ja auch, wenn man die Kunst- und Architekturform des Brutalismus schätzt, sehr wohnlich. Frei nach der Sinnfrage des bekanntesten schwedischen Möbelfachgeschäftes: Wohnst du schon oder lebst du noch?
Wie steht's da mit Ihnen?
Einen schönen Abend - ich werde jetzt ein paar wohnliche Gegenstände nähen, um hier auch bald innerlich zu leben!
Silke
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